Bezahlbaren Wohnraum in Füssen schaffen

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Allgäuer Zeitung vom 06.09.2019
 
Arbeitsgruppe Profitieren sollen vor allem junge Familien mit Kindern.
Womit Grundstücksbesitzer rechnen müssen

Füssen
Schwierig bis unmöglich: Auf diesen Nenner lassen sich die Chancen bringen, die Normalverdiener bei der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft auf dem Füssener Wohnungsmarkt haben. Eine Arbeitsgruppe aus Stadtrat und Verwaltung will das ändern. Ziel ist es, bezahlbaren Wohnraum für Einheimische und vor allem für junge Familien mit Kindern zu schaffen. Wie das funktionieren soll, stellt Hauptamtsleiter Peter Hartl auf Nachfrage unserer Zeitung nun vor.

In Füssen ist der massive Druck auf den Wohnungsmarkt unübersehbar (wir berichteten mehrfach) . Spekulationsobjekte, die zu horrenden Preisen an Kapitalanleger verkauft werden, und steigende Mietpreise belegen dies. Grundstückspreise um die 400 bis 500 Euro pro Quadratmeter seien in Füssen mittlerweile der Durchschnitt, in begehrten Lagen werden bis zu 900 Euro verlangt, teilt Hartl mit. Normalverdiener, Familien mit Kindern und kleinere Einkommen könnten dies nicht mehr schultern. „Dieser für die künftige Stadtentwicklung überaus negativen Entwicklung“ wolle die Kommune nun entgegenwirken, sagt Hartl.

Zurückgehend auf einen Antrag der Freien Wähler hat der Stadtrat Ende Februar eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, die seither fast monatlich tagt. Ihr Ziel ist es, unter dem Blickwinkel der „sozialgerechten Bodenordnung“ (Sobon, siehe Infokasten ) die Baulandentwicklung so auszurichten, dass in Füssen wieder bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird.

Auch Bauträger betroffen

Was bringt Sobon konkret? Ein Beispiel: Wird eine private, landwirtschaftlichen Fläche künftig durch einen Bebauungsplan zum Wohngebiet aufgewertet, kann sich der Besitzer erst einmal freuen. Denn der Bodenwert des Grundstücks steigt so enorm. Das Baurecht aber ermöglicht es der Kommune, den Eigentümer zu verpflichten, einen Teil der neuen Wohnungen an Berechtigte günstiger zu vermieten oder zu verkaufen. Im Zuge der Nachverdichtungen soll Sobon künftig auch auf Bauträgerprojekte angewandt werden, bei denen Bebauungspläne geändert werden und wenige Wohnungen durch viele ersetzt werden. Ein finanzieller Ausgleich für die der Stadt entstehenden Kosten für Infrastruktur wird die Folge sein. In der Arbeitsgruppe wurden dazu verschiedene Instrumente besprochen, die in den nächsten Monaten Zug um Zug umgesetzt werden sollen:

  • So werden demnächst alle Baulücken in einem Kataster aufgelistet. Sie sollen vor dem Hintergrund des städtebaulichen Gebots der „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ künftig vorrangig genutzt werden. Noch im Herbst werden alle Eigentümer solcher Baulücken angeschrieben und gefragt, welche Planungen für die Flächen bestehen.
  • Zudem prüft die Kommune, ob durch eine Vorkaufssatzung ein Zugriff auf unbebaute, aber bebaubare Grundstücke geschaffen werden kann, wenn diese verkauft werden sollen.
  • Derzeit unbebaubare Flächen oder solche Grundstücke, die ein deutliches Mehr an Baurecht bekommen, sollen künftig nur dann durch Bauleitplanung aufgewertet werden, wenn sich der Eigentümer vertraglich verpflichtet, einen Teil seiner geplanten Bebauung als bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen und sich an den Infrastrukturkosten zu beteiligen.
  • Erst wenn diese Maßnahmen nicht zur gewünschten Nachverdichtung führen, sollen neue Baugebiete ausgewiesen werden.
  • Parallel bereitet die Stadt derzeit auf ihren eigenen Grundstücken eine Modernisierung des Wohnraums und eine Nachverdichtung vor. Dazu soll die Kooperation mit Wohnbauunternehmen weiter gestärkt werden. Intensiv nachgedacht wird auch darüber, ob ein eigenes kommunales Unternehmen oder eine genossenschaftliche Unternehmensform gerade für das Segment der preislich erschwinglichen Mietwohnungen sinnvoll sein könnte.

Ein Kompromiss für alle Seiten

Wichtig ist der Arbeitsgruppe, einen Rahmen zu schaffen, mit dem Grundbesitzer ebenso wie die Stadt leben können und von dem gerade junge Familien mit Kindern oder geringere Einkommensgruppen profitieren – ein Kompromiss für alle Seiten also. „Die Menschen brauchen Lösungen in Füssen. Wir wollen nicht, dass unsere jungen Leute wegziehen, weil sie sich in Füssen das Leben nicht leisten können oder keine bezahlbare Wohnung finden“, sagt Hartl. Wesentliches Ziel der Arbeitsgruppe sei, eine Füssener Baulandstrategie zu entwickeln, die bei jeder Baulandausweisung den Wohnbedarf zum Beispiel von Familien oder Senioren in ausreichendem Maße berücksichtigt. Genauso sollen aber mittlere Einkommensschichten bedient werden und es soll noch genügend Freiraum für den freien Markt geben.

Auch ein Einheimischenmodell

Zudem will Füssen wie andere Kommunen das sogenannte Einheimischenmodell einführen. Damit vergibt die Stadt Bauland vergünstigt an die ortsansässige Bevölkerung. Das funktioniert nach einem Punktesystem, wo nach bestimmten Kriterien Punkte vergeben und danach eine Rangliste der Bewerber für gemeindeeigene Grundstücke erstellt wird. Ein ähnliches Modell wird künftig bei den noch städtischen Grundstücken in den Baugebieten O53 und O65 im Weidach angewandt. Allerdings kann dort das Bauland aus Gleichbehandlungsgründen mit schon erfolgten Verkäufen noch nicht vergünstigt abgegeben werden. Der Verkauf der Baugrundstücke dort wird demnächst mit Bekanntgabe der Punkteregelungen anlaufen. (pm/hs)